Fred

Er küßte ihn zärtlich und strich ihm durch die Haare. Sanft flüsterte sein Liebhaber, nachdem er den Kuß erwidert hatte: "Ich liebe dich" und verließ den Raum.
Fred brach auf dem Bett zusammen. Zitternd lag er da, Tränen rannen ihm aus den Augen über das Kopfkissen, über sein Gesicht. Der Satz schallte in ihm nach wie ein schmerzerfüllter epileptischer Anfall. "Ich liebe dich ich liebe dich!"
Es war dunkel geworden, als er wieder erwachte. Er sah auf die Uhr. 22:17. Er verließ den Raum und das Hotel, nachdem er alle Wasserhähne in seinem Zimmer aufgedreht und die Abläufe verschlossen hatte. Er nickte dem männlichen Portier am Eingang zu. Ein kurzer Schmerz durchzuckte ihn, als dieser sein Nicken mit einem Lächeln erwiderte. Fred ging durch die Straßen. Es waren wenig Leute unterwegs um diese Zeit. Er versuchte niemanden zu beachten, niemanden zu grüßen. Aus Angst, sie würden es ihm gleichtun.
Er ging in den Park und setzte sich auf die ihm altbekannte Parkbank unter der eingeschmissenen Straßenlaterne. Niemand da. Wie üblich um diese Zeit. Fred stützte den Kopf in die Hände und weinte, als er unweigerlich an seine glücklichen Zeiten früher zurückdachte, an die Zärtlichkeit, die sanften Gefühle, an alles, was er verloren hatte. Sollte er zurück in das Hotel gehen? Nein, noch nicht. Vielleicht würde jemand bemerken, daß er geweint hatte, auf dem Weg, und sich verpflichtet fühlen, freundlich zu fragen, was denn los sei. Seine Uhr piepste. Es war Mitternacht. Irgendwann hätte er um diese Zeit seinen Cocktail aus dem Krankenhaus zu sich nehmen sollen, aber das tat er nicht, seid er wußte, daß er in seltenen Fällen die Übertragungsgefahr verringerte. Er faßte sich ein Herz. Auf, zurück zum Hotel. Als er auf die Straße trat erfaßte ihn ein Biker mit seiner Maschine. Fred fiel hart auf die Seite, das Motorrad wankte kaum. Fred schrie vor Schmerz auf, als sein Armknochen beim Aufprall zersplitterte. "He, du Arschloch, Paß doch auf!" schrie er den fetten, muskelbepackten Motorradfahrer an. Der blitzte böse zurück. Wahrscheinlich sieht er eine Delle auf seinem Motorrad dachte Fred. Beim blitzen blieb es nicht.
Fred erwachte am morgen in einem Krankenhaus. Die Schwester erklärte ihm, er habe mehrere Blutungen und Knochenbrüche. Sein Leukozytenwert war übrigens bereits ins bodenlose gefallen, aber daß hörte er kaum. Nein, antwortete sie auf seine Frage, sie haben seine Geldbörse nicht gefunden. Mußte wohl der haben, der ihn zusammengeschlagen hat. Innerlich lächelte Fred. Der Biker hatte seine Adresse und auch das Arztrezept für seinen Cocktail und spätestens nach dem nächsten Doktorbesuch würde er begreifen, was die Nadel, die Fred so an der Geldbörse drapiert hatte, daß er sich beim Öffnen daran stechen mußte, ihn geschenkt hatte. Fred seufzte verliebt und die Besserungswünsche der Schwester regten ihn kaum auf, als sie das Zimmer verließ. Der Biker würde ihn finden.

11-10-98

-Pilgrim

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