-Szene: zwei Schulbänke, an denen je ein Kind sitzen-
Was tust du?
Ich sehe aus dem Fenster
Was siehst du?
Ich sehe die Häuserdächer, und weit, in einen weißen Schleier gehüllt,
Wälder, Hügel und noch weiter, unereichbar fern, den Himmel.
Was fühlst du?
Ich sehne mich nach dieser Weite.
Meine Arme wollen Flügel werden,
ich will zum Fenster eilen und mich in die Weite stürzen.
Mein Leben hinter mir zurücklassen,
bis ich alles vergessen habe.
Ich will meine Lieder dem Himmel singen.
Aber du hast keine Flügel, bist kein Vogel.
Du bist ein Mensch, ein Junge, ein Schüler.
Du sollst nicht träumen, fliegen, vom Fliegen träumen.
Du sollst leisten, lernen, aufhorchen.
-ein Blatt wird ausgeteilt, Kinder schreiben darauf, dann wird es wieder eingesammelt-
Plötzliche lebendige Aufregung,
dann tote Stille,
man muß lesen, schreiben,
Zeile für Zeile mit Argusaugen nach seinen Fehlern suchen,
wer nichts weiß,
wer zu seinem Nächsten hinüberschaut,
wird bestraft werden.
Ruhe als nichts mehr auf das Blatt geht, weil nichts mehr gewußt wird.
Suchen nach den letzten Worten, Zahlen, Zeichen,
um noch das hinzuschreiben, um noch das hinzuzeichnen.
Disziplin Aufmerksamkeit Abfrage
Aufmerksamkeit Abfrage Disziplin
Abfrage Disziplin Aufmerksamkeit.
Die Welt ist hektisch, anstrengend und doch langweilig.
Hat man nicht in so einer Welt das Recht auf einen kleinen Traum?
Der Traum lenkt dich ab, er lenkt auch andere ab.
Die Welt ist hektisch, anstrengend und langweilig.
Aber es ist eine Leistungswelt.
Man muß sich danach richten.
Träume leisten nichts.
Man muß sich fügen.
Auch du.
-Pausenhalle, sehr laut-
Selbst in der Freizeit, Leistung.
Jeder will irgendwohin.
Meine Uhr sagt: 11.15 Beginn einer Viertelstunde Ruhe, welche doch voller Lärm ist.
11.30 Ende einer Viertelstunde Ruhe, die keine echte Erholung gebracht hat.
Selbst die Zeit darf nicht mehr fließen.
Man muß sie in eine feste Form pressen.
Wenig Zeit zur Ruhen,
Ruhe finden,
um aus der Ruhe Kraft zu schöpfen,
Kraft um die Welt zu meistern.
Wenig Zeit zum Denken,
von Träumen und schönen Gedanken,
aber die sind ja sowieso nichtig.
Die Welt ist eben so. Man muß sich fügen.
Ja, sie ist so.
Was tust du?
Ich sehe aus dem Fenster
02-10-97
-Pilgrim
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