Daten
(Eine Science-fiction-Kurzgeschichte, (C)26.09.1997 by Dario Abatianni)
> OK:
Diese
beiden Buchstaben und der dahinter blinkende Cursor waren für
ihn das Zeichen, seine Arbeit aufzunehmen. Flink tippte er einige
Zeichen in das Terminal und wartete auf die Reaktion des Rechners.
Prompt kam die Meldung, die er bereits erwartet hatte. HOST
DOES NOT RESPOND. CHECK SPELLING OF PASSWORD. CONNECTION TERMINATING
IN 10 SECONDS.
Während der Timer auf dem Flatscreen
langsam herunterzählte, ratterte der Codegeber, den er mittels
einiger verdrillter Drähte an die Tastatur angeschlossen hatte,
die Datenbanken durch. Es war eigentlich nicht seine Art, einen
Brute-Force-Angriff auf ein so simples System zu starten, aber die
Zeit arbeitete im Augenblick gegen ihn. Noch bevor die Zahl auf dem
Bildschirm die 0 erreichte, hatte der Codegeber das korrekte Paßwort
herausgefunden und übermittelt. NEGOTIATING
WITH HOST
, stand nun auf dem Screen und wurde wenig später
vom Titelbild des KTC-Servers abgelöst. Sofort schob der junge
Mann die Laserdisc in das Laufwerk und startete den Download. Während
der Fortschrittsbalken auf dem Schirm langsam wuchs, blickte er sich
nervös um. Noch hatte ihn niemand entdeckt. Wenn er Glück
hatte, war sein Job in weniger als einer Minute getan, und er konnte
endlich verschwinden. Mit einem Schaudern dachte er daran, was
geschehen würde, wenn er das Shuttle verpassen, oder ihn die
Sicherheitsmannschaft erwischen würde.
DOWNLOAD
COMPLETE
meldete der Server, und der Mann nahm die
Laserdisc wieder an sich. Gleich darauf packte er den Codegeber ein,
wobei er die Drähte lieblos auseinanderriß, und machte
sich auf den Weg durch die engen Korridore des KTC-Hauptgebäudes.
Just in diesem Moment erschienen zwei Männer in Wachuniformen vor ihm im Gang. Mit klopfendem Herzen ging er an ihnen vorbei, einen unverständlichen Gruß murmelnd. Nur Augenblicke später rannte er los, um so viel Entfernung wir möglich zwischen sich und die Männer zu bringen, bevor sie das Chaos bemerkten, das er an diesem Terminal angerichtet hatte. Er war gerade dreißig Schritte weit gekommen, als er hinter sich schon die lauten Rufe hörte. Er lief noch schneller, bog in verschiedene Seitengänge ein, und gelangte schließlich durch einen Notausgang auf die Straße. Es war immer noch tiefste Nacht, und ein schneller Blick auf sein Armbandchrono sagte ihm, daß er noch ein paar Minuten Zeit bis zum Shuttlestart hatte. Mit schnellen Schritten überquerte er den Plasasphalt, um auf der anderen Straßenseite zwischen den Konzerngebäuden zu verschwinden.
Als er endlich am Shuttlehafen ankam, atmete er mittlerweile schwer. Schon allein wegen der stinkenden Atmosphäre würde er es niemals in Betracht ziehen, hier auf Caripel III wohnen zu wollen. Aber auch sonst war dieser Planetoid nicht nach seinem Geschmack. Hier gab es an jeder Ecke Sicherheitsmannschaften, die jeden Winkel der Straßen unter Kontrolle hatten. Das machte es extrem schwierig, hier an Daten zu kommen, die für seine Kunden von Interesse sein konnten.
Ein wenig entspannter betrat er das Shuttle Drifter, gab dem Uniformierten sein Ticket und nahm in der hintersten Reihe Platz. Nur Sekunden später ertönte der Alarm, und die Luftschleusen des Shuttles schlossen sich geräuschvoll.
Unruhig wälzte er sich in seinem Schlaf, bis er plötzlich erwachte. Mehrere Gestalten standen neben seiner Liege und blickten auf ihn herab. Als sich sein Blick schärfte, erkannte er sie. Vorsichtig richtete er sich auf. »Morgen, Jungs«, sagte er.
»Hast du die Ware, Calet?« fragte einer der Männer. Er war recht groß und hager, trug eine ziemlich geschmacklose Sonnenbrille und einen teuren Anzug. Rechts und links von ihm standen zwei Männer, die mindestens doppelt so breit, aber ebenso dumm aussahen.
»Na klar, Mann. Immer mit der Ruhe.« Calet stieg aus seinem Bett und wankte langsam durch den Raum, bis er einen kleinen Schrank erreichte. Nachdem er das Kombinationsschloß geöffnet hatte, klappte er ein kleines Türchen auf und holte die Laserdisc hervor, die er von Caripel III mitgebracht hatte. »Hier ist sie. Komplettes Backup des KTC-Servcrs, wie verlangt.« Er übergab die Disc dem Mann mit der Sonnenbrille. »Wie sieht es mit der Kohle aus?«
»Kein Problem«, sagte der Mann und gab einem seiner Begleiter ein Zeichen. »Ich hoffe, du bist uns nicht böse, wenn wir dir sagen, daß wir keine Zeugen gebrauchen können.«
Gelassen blickte der junge Mann auf die Strahlenwaffe, die der andere auf ihn richtete. »Hey, Kumpel! Ich würde das lassen, wenn ich du wäre.«
»Und warum?« Der Mann mit der Sonnenbrille blickte den Jungen mit einem Ausdruck im Gesicht an, der deutlich verriet, daß er sich in der stärkeren Position wähnte.
»Wenn du glaubst, nur du kannst die Leute über den Tisch ziehen, dann bist du bei mir an den Falschen geraten. Ich bin nicht so blöd wie die anderen, die vorher für dich gearbeitet haben. Die Daten sind codiert, Mann. Ohne meinen Schlüssel habt ihr keine Chance, an die Daten heranzukommen. Und jetzt will ich mein Geld, klar? Oder meinetwegen die Hälfte. Dann setze ich mich ab, und ihr bekommt den Schlüssel eine Stunde später per Com. Dafür bekomme ich dann den Rest meiner Kohle. Ist das ein Deal oder was?«
Der Mann mit der Sonnenbrille lächelte. »Gar nicht dumm, mein Freund, muß ich dir lassen. Also gut, wie du willst. Die Hälfte jetzt, die andere, sobald wir den Schlüssel haben.«
Calet grinste ebenfalls und griff noch einmal in das Fach. Dann warf er dem anderen ein Plastikkärtchen hin. »Hier. Vollmachen.« Er wartete, bis einer der Gorillas die Karte durch ein Programmiergerät gezogen hatte, nahm sie dann wieder entgegen und checkte den Betrag an seinem eigenen Terminal. Schon alleine diese Summe würde reichen, sich einige Jahre ein schönes Leben zu machen. »So ist's recht. Und nun verschwindet ihr; ich werde mich in einer Stunde bei euch melden. Dann gibt es die andere Hälfte.«
»Gute Reise, Junge«, sagte der Mann. »Und ich empfehle dir, eine weite Reise zu machen.« Er gab den beiden anderen Männern ein Zeichen, woraufhin sie sich zur Tür bewegten. Schließlich war Calet wieder alleine.
Eine Stunde später stand er mit seinen wichtigsten Habseligkeiten am Shuttlehafen. Lässig schlenderte er zu einem der öffentlichen Terminalanschlüsse hinüber und stöpselte das Glasfaserkabel zu seinem Notebook ein. Kurze Zeit später war die Verbindung zu seinem Auftraggeber aufgebaut. Mit einem Befehl übertrug er den Entschlüsselungscode für die Laserdisc und schob dann seine Cashcard in den Rechner. Wenige Augenblicke später wurde ihm die Buchung der fehlenden Hälfte angezeigt.
Zufrieden setzte er sich auf eine der zahlreichen Bänke des Hangars und klappte den Flatscreen aus. Mit einer Hand griff er in seine Jackentasche und holte eine weitere Laserdisc heraus. Wie immer hatte er sich eine Kopie der gehackten Daten gemacht, um zu sehen, was er eigentlich aus dem Rechner geholt hatte.
Flink ließ er sich die einzelnen Dateien auf dem Bildschirm anzeigen und geriet dabei immer mehr in Aufregung. Als er genauer hinsah, fand er seinen ersten Eindruck bestätigt. Wenn er früher gewußt hätte, was für Daten sich auf der Laserdisc befanden, er hätte sie sofort unter seinen Füßen zertreten, ungeachtet der versprochenen Summe an Credits. Doch jetzt war es zu spät, er hatte den verfluchten Mistkerlen den Code bereits übermittelt.
Er klappte den Flatscreen wieder ein und sprang eilig auf. Gleich darauf wurde er von einer heftigen Wucht zu Boden gerissen. Ein brennender Schmerz zerriß seine Brust und das Blut, das aus einer großen Wunde sickerte, verteilte sich auf dem Plasboden. Er sah noch das Grinsen eines Mannes mit Sonnenbrille am anderen Ende des Hangars und die Menschen, die verstört umherrannten und in Deckung gingen. Dann sah er nichts mehr.
ENDE