A Gryphon's Life


Prolog


"Glaubst du, dass es ein Schicksal gibt?", fragte Alex nach vorne gebeugt und seine Hände ineinander gefaltet. Er saß auf einem einfachen Holzstuhl, während die schwere Eisenrüstung auf seinen Schultern lastete. Cris richtete sich rasch auf und warf einen ernsten Blick zu dem Greifen. "Selbst wenn es ein Schicksal gäbe, dann hätte ich trotzdem keins.", erwiderte sie ernst. Als sie auf eine Antwort wartete, strich sie sich über ihren violetten Waffenrock, jedoch ließ der Greif nur einen langen Seufzer verlauten. "Ich weiß nicht... Seit ich hier in Ainessa gelandet bin, ist schon so viel passiert und hat mein Leben sich so sehr verändert, sodass ich nicht glauben kann, dass das alles Zufall war."



Michael hasste den Geruch von Motoröl und Benzin um sich herum. Er hatte das Pech, dass er eine sehr empfindliche Nase besaß und er verzog sein Gesicht zu einer Fratze der Abstoßung und der Missgunst gegenüber dem Rollfeld und dem dazugehörigen Flughafen. Er hatte sich entschieden einen Rundgang um das Gebäude zu machen, da er nicht so der Stadttyp war und sich viel lieber an der frischen Luft aufhielt. Er wusste aber nicht, dass frische Luft so ekelhaft riechen konnte. Er nahm seine kleine Taschenuhr aus der linken Tasche seines weißen Anzuges. Das Weiß des Stoffes stellten einen krassen Kontrast zu dem schwarzen Fell seines Körpers da.

„Mist, wir sind schon 15 Minuten über den Zeitplan hinaus. Wo bleiben die anderen bloß? Wir haben nicht ewig Zeit!“, sprach Michael zu sich selber, als er sich über die Unpünktlichkeit seiner Kollegen aufregte. Er drehte sich um und entdeckte eine glänzende Radkappe gegen die Wand des Gebäudes gelehnt. Sein Gesicht spiegelte sich auf der Radkappe und er musste sich erneut eingestehen, dass er doch ein attraktiver Panther war. Er leckte sich über die rechte Pfote und strich sich noch einen kleinen Fellbüschel auf seinem Kopf glatt, als auch endlich die anderen Wissenschaftler und Archäologen aus dem Hangar zum Kleinflugzeug schlenderten. Sie wurden von einigen Flughafenmitarbeitern begleitet, welche die schwere Ausrüstung zu tragen hatte. Michael bemerkte den unglücklichen Gesichtsausdruck der Mitarbeiter. Er selber wäre auch nicht glücklich gewesen dieses ganze Zeug schleppen zu müssen.

„Tut uns leid, dass du warten musstest, Michael. Es gab Probleme mit der Ausrüstung und ein Lieferant hatte es nicht geschafft einen wichtigen Karton hierher zuliefern.“, sprach ein recht junger Tiger, welcher recht imposante Augenbrauen besaß. Michael kannte ihn unter dem Namen Trent.

„Na ja, Hauptsache ist doch, dass wir endlich starten können, nicht wahr?“, erwiderte Michael, während er seine Arme verschränkte und Trent einen eindringlichen Blick zuwarf. Die anderen Archäologen nickten dem Panther zu und murmelten redundantes Zeug. Meistens war Michael sehr zuvorkommend, aber dieser Flugplatz widerte ihn dermaßen an, dass er sich umdrehte und seine linke Pfote auf die Einstiegshilfe des Flugzeugs stellte. Er blickte über seine Schulter, als er Trents Stimme hörte.

„Nun sei doch nicht so schnell. Wir haben doch noch genug Zeit. Die paar Minuten brauchen wir doch nicht zu hetzen.“, meinte der Tiger und rückte seinen Overall zurecht. Michael seufzte innerlich und seine Hand verkrampfte sich um die Klinge der Tür zum Inneren des Flugzeuges. „Ist mir doch egal was ihr noch alles machen wollt. Ich setz mich ins Flugzeug und warte, dass wir abheben.“, fügte Michael hinzu und öffnete die Flugzeugtür.



Das Team um Michael herum musste nach der Landung in einen kleinen Stadt an der Westküste von Talrom auf einen Frachter umsteigen und über die ruhige See fahren, um an den erst vor circa zehn Jahren entdeckten zwölften Kontinent zu erreichen. Dank der Entwicklung von Sattelitentechnik und den raschen Durchbrüchen in der Optikforschung war es eine Gruppe von jungen Forschern und Wissenschaftlern gelungen detaillierte Fotos von diesem Kontinent zu machen. Michael gehörte zu dieser Archäologengruppe, die als Erste zu diesem sehr weit abgelegenen Kontinent geschickt wurden, um dort nach neuen Kulturen zu suchen. Auf den Photos, welche Michael die ganze Zeit der Reise über studierte, konnte er Anzeichen auf ehemalige Zivilisation entdecken. Ein besonders großer grauer Fleck inmitten einer Ebene war sein Ziel.

Am Abend des vierzehnten Tages stand Michael an der Reling am Bug des Frachters und am geröteten Horizont konnte man schon den dunklen Umriss der Landmassen des zwölften Kontinents sehen. Michael stützte seine Unterarme auf der Reling ab und ließ seinen Blick über das Neuland schweifen. Es war relativ kühl, da der zwölfte Kontinent weit im Norden lag und Trent kam hinzu. Michael bemerkte ihn aber erst, als der Tiger ihm eine warme Jacke über die Schultern legte. Der Panther drehte seinen Kopf Richtung Trent und stieß ein Seufzen aus.

„Was bedrückt dich denn so, Michael? Es läuft doch alles rund und morgen wirst du deinen Fuß auf dieses Eiland vor uns setzen. Meinst du, dass ich nicht bemerkt habe, dass du wieder mal ein Objekt deiner Begierde gefunden hast?“, fragte Trent mit einem sanften Unterton. Michael senkte etwas den Kopf und starrte auf das Wasser der Wellen, welche von dem Schiff geworfen wurden. Nach einigen Augenblicken entschloss sich Michael zu antworten.

„Ja, du hast recht. Ich kann es kaum erwarten bis wir endlich an Land gehen können.“, erzählte er und zog eines der Photos aus seiner Tasche, welches er Trent zeigte, „Wie du siehst, habe ich mein persönliches Ziel rot umkreist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dort eine Hochburg der Zivilisation auf diesem Kontinent ist oder war. Wir werden sehen, ob sich dort noch etwas befindet und wenn ja, dann hoffe ich, dass dort auch was Interessantes ist, was uns ein wenig Information gibt, was es dort mal für eine Zivilisation gelebt hatte. Ich bin ziemlich zuversichtlich.“

Trent lauschte den Worten seines Freundes und sah das Leuchten in Michaels Augen, welches sein Hauptmarkenzeichen war, wenn er von einem Ausflug oder Ziel träumte oder mit jemanden wetteiferte. Ein wohliges Gefühl verbreitete sich in Trents Körper, obwohl der Wind immer stärker über das Meer blies. Er deutete auf die Kabinen und Michael löste sich von der Reling. Beide gingen in ihre Kabine und versuchten etwas zu schlafen, um auf dem neuen Kontinent wach und erholt zu sein.



Die Expeditionsgruppe legte am nächsten Morgen an und begann ihre Wanderung Richtung Kontinentmitte, wo Michael den grauen Punkt auf seinem Photo vermutete. In der Nähe ihrer Anlegestelle waren die ausgebrannten Ruinen einer kleinen Hafenstadt zu sehen. Einige Grundmauern standen noch und das verkohlte Skelett des Leuchtturmes wirkte gespenstisch. Auch einige Stege waren noch vorhanden, aber das Holz war morsch und einige Teile waren eingestürzt.

Der Trupp bewegte sich weiter durch recht urtümliche Wälder, welche Michael nur aus Nationalparks kannte. Die Ökologie des Waldes war, seiner Meinung nach zumindest, noch im Gleichgewicht und nicht durch den Einfluss von wachsender Zivilisation gefährdet gewesen. Die Bäume waren massiv und wirkten mächtig, als der Trupp unter ihren Baumkronen entlang wanderten und in einem gedämpften Licht durch den Wald gingen. Nur einige Löcher in der Blattdecke über ihnen ließ große, helle Lichtstrahlen einfallen.

Nach den Wäldern erreichte das Archäologenteam eine weite und mit Weidepflanzen übersäte Ebene. Ihre Ausläufer gingen sogar bis zu einigen anderen Wäldern, welche sich am Horizont vom Boden erstreckten. Der liebliche Duft von Flieder und Weide lag in der Luft und spontan ging auch Michaels Stimmung in die Höhe. Dies war ein Ort, den er sicher nicht so schnell verlassen wollte. Er war in der unberührten Natur und brauchte nicht, wie es sonst eigentlich üblich war, Eintritt in einem Erholungspark zu bezahlen. Mit Michael an der Spitze bahnte sich die Gruppe über die Ebene Richtung Koordinaten, welche der Satellit für den grauen Fleck auf den Photo berechnet hatte. Das Display des digitalen Kompasses verriet ihm, dass es nur noch einige Kilometer bis zu seinem Ziel waren. Er schaute wieder auf und die Umrisse eines Gebäudes lagen nah am Horizont. Hastig begann Michael durch das Gras zu laufen und zu sprinten, da er es kaum noch aushalten konnte. Seine Neugier und seine Abenteuerluft trieben ihn weiter. Er wurde noch weiter beflügelt und legte einen schnelleren Schritt zu, als sich vor ihm die Umrisse zu Etwas transformierten, was sie früher einmal dargestellt hatten. Er sah vor sich die alten und überwachsenen Überreste einer Burg aus einer Zeit, die Michael nur aus Büchern kannte. Die Zeit der Burgen fand auf seinem Heimatkontinent vor ungefähr zweitausend Jahren statt. Die Ruinen der Burg vor ihm wurden von der Natur beansprucht und Pflanzen waren an den noch stehenden Grundmauern und Überresten von Häusern entlanggewachsen. Der Burggraben war ausgetrocknet und von Uferpflanzen überzogen. Wahrscheinlich sammelte sich in dem ehemaligen Burggraben Wasser, wenn es stärker regnete, dachte Michael. Die äußeren Burgmauern waren so gut wie nicht mehr existent. Nur ein paar wenige Reste von Mauern, die unter einer Efeuschicht begraben waren, erinnerten, dass hier vor etlichen Jahren mal eine massive Schutzmauer gestanden hatte. Eine halbrunder Torbogen, wo die linke Seite scheinbar vor Jahren eingestürzt war, deutete an den ehemaligen Eingang zur Burg.

Die Gruppe betrat die ruhigen und friedlichen Ruinen der Burg und ihre Begeisterung war ihnen nur schwer abzuerkennen. Sie alle hatten etwas Vergleichbares ihr ganzes Leben lang gesucht und bis zu diesem Tage noch nicht gefunden. Michaels Blick wirbelte umher, da er überall neue Reize und Eindrücke bekam. Für ihn gab es immer mehr Einladungen zu schauen und zu entdecken. Er wanderte auf den inneren Schutzwall zu. Dieser war in einem besseren Zustand und war auch leichter als Schutzwall zu identifizieren. Einschläge von großen Geschossen und Belagerungsspuren waren über den inneren Schutzwall verteilt und hatten auch große Löcher in die Mauer gerissen. Die Häuser, die scheinbar zwischen den beiden Schutzwällen mal gewesen waren, waren völlig niedergebrannt. Nur noch einige verkohlte Teile der Stützkonstruktion erinnerten an sie.

Michael war überrascht, dass er an diesem ruhigen Ort, wo dennoch einmal Tod und Verderben geherrscht hatten, nicht der Geruch von Tod vorzufinden war. Gemächlich erkundeten die Forscher das Gebiet und stiegen durch ein Loch durch den zweiten Verteidigungswall. Innerhalb dieser letzten Barriere lagen große Trümmer und Überreste von Steinbauten herum. Der Burgfried war noch existent, aber höchstwahrscheinlich geplündert und leer. Trent hob seinen Arm und zeigte auf einen Prachtbau unweit des Bergfrieds. Durch ein klaffendes Loch an der Westseite des Gebäudes konnten die Archäologen ins Innere vorstoßen und er erwartete sie eine große Halle. Auf der linken Seite sahen sie noch die Überreste einer großen Treppe, die Richtung Obergeschoss sich nach links und rechts aufteilte. Große Gesteinsbrocken waren über den Boden verteilt, wo noch unter ihnen vereinzelt gesplitterte oder gebrochene Fliesen zu finden waren, die wahrscheinlich den ganzen Boden bedeckt hatten. Über ihnen hing noch die zweite Hälfte des Daches. Die andere Hälfte lag vor ihnen mit den Gesteinstrümmern vermischt. Michael drehte seinen Kopf nach rechts und erkannte die Säulenstümpfe, die sich zwischen den Dachtrümmern erhoben. Die Säulenbruchstücken lagen sicherlich auch auf dem Boden herum. Er war nicht verwunderlich, dass das Dach wegen den fehlenden Säulen nachgegeben hatte und herunterkracht war.

Trent meinte in einer flüchtigen Bemerkung, dass dieser Saal wahrscheinlich sehr schön und beeindruckend ausgesehen hatte, bevor er zerstört wurde. Michael nickte ihm einfach zu und ließ seinen Blick ein weiteres Mal über den Saal schweifen. An der Ostseite des Saales konnte man unter den Trümmern noch die grobe Form eines Torbogens erkennen. Wahrscheinlich war dies ein Durchgang zu weiteren Festräumen. Rechts daneben klaffte ein weiteres Loch in der steinernen Wand und durch die Ecke, die fehlte, konnte Michael wieder nach draußen sehen. Er entdeckte dahinter einen kleinen Vorhof. Ohne Mühe kletterte der Panther durch das Loch und fand sich vor einer noch guterhaltenen Kapelle wieder. Die Fassade war oberhalb und links vom Eingangstorbogen eingestürzt und Gesteinsbrocken formten einen dünnen Weg durch den Eingangsbereich der Kapelle. Durch die fehlende Fassade war schon vor einiger Zeit der linke Teil des Daches eingestürzt und die Trümmer bedeckten den Boden. Michael war an der Spitze der Gruppe, als diese sich Richtung Kapelle aufmachte.

Als Michael seinen ersten Schritt in das Kapellenportal setzte, ertönte ein lautes Knacken und Brechen. Trent bemerkte als Erster, dass eine Holzverstrebung im Dachstuhl nachgab und unter dem Gewicht des Daches brach. Er rannte auf Michael zu, der noch immer irritiert umherschaute, und packte ihm am Kragen. Mit aller Gewalt, die Trent aufbringen konnte, zog er Michael nach hinten. Beide fielen nach hinten auf ihre Rücken, als ein großes Stück des Daches nach unten stürzte. Staub und Gestein wurden aufgewirbelt und Trent hatte sich schützend über Michaels Körper gelegt. Nach einigen Augenblicken standen beide wieder auf und sahen, dass der Einsturz den Eingangsbereich völlig verschüttet hatte. Sie waren sich sicher, dass sie auf diesem Wege nicht mehr in die Kapelle eindringen konnten.

„Du hast mir das Leben gerettet, weißt du das?“, fragte Michael, als er das Stückchen Dach betrachtete, welches ihn sicher unter sich begraben hätte, wenn Trent nicht eingegriffen hätte.

„Ist doch nicht der Rede wert, Michael. Wozu sind wir denn Freunde?“, entgegnete Trent und klopfte dem Panther auf die Schulter. Beide kehrten zu ihren Kollegen zurück und schwärmten aus, um einen anderen Weg ins Innere der Kapelle zu finden. Trent und Michael liefen an der linken Seite der Kapelle entlang und suchten nach einem Loch in der Fassade, welches die Möglichkeit zeigte hindurch zu steigen. Der Panther schweifte mit dem Blick umher und ihm fiel auf, dass die Kapellenfenster immer noch in ihren Fassungen waren. Sie konnten natürlich ein Fenster einschlagen und hindurchsteigen, wenn nicht ein Eisengitter vor den Fenstern installiert worden wäre. Jedoch wunderte er sich, warum die Fenster noch da waren, weil sie das Einzige weit und breit waren, was noch entfernt einen Wert haben könnte. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Trent ihn am seinem Arm packte und ihn freudestrahlend zu einem kleinen Fenster schleifte.

Michael blickte auf und musste auch grinsen, da das Fenster vor ihnen schon eingeschlagen war und das Eisengitter davor kaputtgeschlagen und weggebogen wurde. Das Fenster war zwar kleiner und enger als die anderen, aber es war ein neuer Durchgang, welcher ins Innere der Kapelle führte. Trent kniete sich leicht nieder und machte sich zur Räuberleiter bereit. Michael nahm etwas Schwung und trat auf die ineinander verkanteten Pfoten. Mit etwas Kraftanstrengung hievte er seinen Freund nach oben und Michael sprang etwas nach vorne, um in den Fensterrahmen zu springen. Er drehte sich um und gab Trent seine Pranke, um ihn nachträglich hochzuziehen. Als beide durch das Fenster durch waren, erwartete sie ein neuer Anblick.

Michael hatte noch nie so ein trotzloses Gotteshaus gesehen. Normalerweise waren Kapellen und Kirchen ziemlich prunkvoll und edel eingerichtet. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum so gut wie nichts mehr davon übrig war. Michael vermisste fast alles. Es waren keine Sitzbänke, keine Teppiche und kein Altar mehr vorhanden. Nur die Kapellenfenster und ein hölzernes Kreuz am Ende der Kapelle deuteten darauf hin, dass dieses Gebäude als Gotteshaus fungierte. Vor ihnen lag eine große, leere Halle und es war auch noch relativ dunkel da drinnen. Nur durch die Fenster und durch das große Loch am Eingang schien Licht ins Innere.

Beide wanderten umher und versuchten etwas von Wert oder etwas Anderes zu finden, um heraus zu finden, welcher Religion diese Kultur angehörte und wie sie denn gelebt hatten. Während seines Streifzuges am hinteren Ende der Kapelle entdeckte Michael ein weiteres Loch in der Fassade. Jedoch fiel so gut wie kein Licht durch dieses Loch und der Panther konnte kaum etwas dahinter erkennen. Er kniete nieder und kramte eine Taschenlampe aus seinem Rucksack hervor. Er leuchtete in das Loch hinein und sah eine Treppe dahinter, die nach unten in den Boden führte. Ohne nachzudenken kramte Michael auch eine handliche Spitzhacke aus seinem Rucksack und begann die Wand einzureißen. Er wusste nicht, warum er diese Treppe heruntergehen wollte, aber sein innerliche Drang trieb ihn dazu. Trent bemerkte, dass Michael an dieser Wand arbeitete, aber er schien selber etwas gefunden zu hatten. Nach einigen Minuten hatte Michael genug von der Wand eingerissen, um durchzusteigen.

Die Katakomben waren sehr dunkel und nur das Licht der Taschenlampe erhellte die dunklen Gänge. Der Gang führte immer tiefer und ein kühles Gefühl durchfuhr ihn. Eine gespenstige Enge zog sich um Michael zusammen, als er sich von den nahen Wänden des Ganges beengt fühlte. Er schritt um eine Ecke und entdeckte eine kleine Kammer hinter einer Gittertür. Er nahm wieder seine Spitzhacke zur Hand und bearbeitete die Tür mit kräftigen Schlägen. Er versuchte die Spitze der Spitzhacke zwischen zwei Gitterstäben zu drücken, nachdem er mit mühevoller Arbeit diese von einem Hauptstrang losgeschlagen hatte. Schweiß floss ihm das Gesicht herunter und er zog am Stil der Spitzhacke. Unter lautem Quietschen gaben die Eisenstäbe nach und Michael vergrößerte langsam das Loch im Gitter. Nach gut einer halben Stunde hatte er sich durch die Tür gearbeitet.

Die kleine Kammer wirkte wie eine Gruft oder Krypta. Ein modriger Geruch lag in der Luft und es war etwas feucht. Von Zeit zu Zeit tropfte Wasser aus einigen Stellen an der Decke. In der Mitte der Kammer war ein steinerner Sarg. Der Deckel hatte das Abbild eines Königs eingearbeitet. Die lebensgroße Skulptur im Sargdeckel war ein alter Wolf, der in einer Ritterrüstung gekleidet war. Er trug eine schlichte Krone auf dem Kopf und hielt ein Schwert mit beiden Händen umschlossen. Das Schwert lag auf seinem Körper entlang. Michael vermutete, dass dies der Sarg eines Königs oder eines Herrschers sein musste. Der Sarg besaß auch einen Sockel, wo Michael folgende Inschrift fand:

„König Regin Faolan, Sohn von Rion Faolan und König von Ainessa“


Innerlich überlegte Michael hin und her, ob er denn nicht den Deckel des Sarges anheben sollte. Jedoch sprach dagegen, dass er wohl zu schwach für dieses Unternehmen sei. Und er fand es auch nicht so spannend die sicherlich schon verweste Leiche dieses Wolfes zu sehen. Er schaute sich noch weiter mit seiner Taschenlampe um und entdeckte weitere Steintafeln an den Wänden. Diese Tafeln hatten ebenfalls Namen eingraviert und sie alle stammten von der Familie Faolan ab. Scheinbar war Regin der erfolgreichste dieser Blutlinie gewesen. Plötzlich zog es Michael zu einer anderen Steintafel, die nicht an einer waagerechten Platte angebracht war. Höchstwahrscheinlich lagen die Leichen der früheren Herrscher hinter den großen waagerechten Steinplatten, aber warum sollte man eine Kammer senkrecht einrichten?

Michael kam der Steintafel näher und sah, dass kein Name auf ihr eingraviert war. Das Einzige, was sichtbar war, ist ein Abdruck einer Hand oder Pfote. Und die Tafel schien auch nicht nur aus Stein zu bestehen, sondern sie hatte eine Gipsoberfläche, um diesen Abdruck zu ermöglichen. Michaels Verwunderung schien nicht abnehmen zu wollen. Was machte solch eine Tafel hier, wenn sie nicht zu der Blutlinie der Faolans gehört? Oder hat diese Tafel etwas mit jemanden zu tun, der was für diese Familie getan hatte? Wie von Sinnen umfasste der Panther die Tafel und zog an ihr. Er hatte Widerstand erwartet, aber die Tafel ließ sich ein Stück herausziehen und ein leises Klicken war zu hören. Ein paar mal klickte es wieder und dann war Michael in der Lage weiter an der Tafel zu ziehen und die Steinplatte, worauf die Tafel festgemacht war, schwang auf und legte einen weiteren Raum frei.

Die Kammer, die dahinter lag, war weder feucht noch auf irgendeiner anderen Weise eklig oder abstoßend. Es war zu Michaels Verwunderung auch nicht muffig, sondern er hatte den leichten Geruch von Flieder und Lavendel in der Nase. Er schaute sich mit der Taschenlampe um und war von Schränken und Regalen umringt. Die Regale und Schränken waren gefüllt mit Schriftrollen und Dokumenten. Dazwischen fand Michael auch einige gebundene Bücher, welcher verschiedene Titel trugen. Es verwunderte ihn erneut, dass er alles lesen und verstehen konnte. Diese Zivilisation hatte sich völlig unabhängig von seiner Eigenen entwickelt und hatte scheinbar die selbe Sprache verwendet. Seine Hand streifte an den Buchrücken entlang. Er las sehr oft das Wort Greif, Flügel oder Schwingen als Buchtitel. Aber auch Märtyrer kam sehr oft vor. Er wollte sich umdrehen, um die andere Seite der Kammer und deren Bücher zu untersuchen. Er erblickte eine Steinplatte, welche gegenüber der Tür angebracht war. Bei näherer Betrachtung der Platte fiel Michael ein Riss in der Platte auf. Er umfasste die linke Hälfte und diese ließ sich ohne Probleme ablösen, jedoch hatte der Panther dies nicht erwartet und er ließ die Platte auf den Boden krachen. Die Erschütterungen ließen auch die zweite Hälfte der Platte herabfallen. Michael musste einige Schritte nach hinten gehen, damit seine Füße nicht unter dem Gewicht der Platten zerquetscht würden. Er blickte auf und schaute auf ein festliches Gemälde. Es waren neun Personen darauf abgebildet und dargestellt. Die beiden leeren Fackelständer links und rechts von dem farbigen und noch im gutem Zustand befindende Gemälde gaben Michael ein Gefühl, dass er in einem Schrein war. Die neun Personen auf dem Gemälde sahen alle sehr unterschiedlich aus und gehörten fast alle zu unterschiedlichen Rassen an. Es waren sieben Männer und zwei Frauen, alle hatten sie sehr kriegerische Kleidung an. Mit den verschiedenen Rüstungen und den Waffen, die sie alle in den Händen hielten, wirkten sie wie eine Art Söldnertruppe auf Michael. Er war von dem Gemälde begeistert. Er betrachtete es weiter und er bemerkte, dass jeder von ihnen ein kleines farbiges Symbol auf dem Handrücken trug. Dieses Gruppengemälde zeigte diese neun Personen auf einem kleinen Grashügel bei heiterem Wetter. Sie alle waren freundlich dargestellt worden. Unterhalb des Gemäldes war wieder eine Inschrift.

„Zu Ehren von Alex Eagle, Cris Orchid, Keegan, Amu, Calimouth, Raptor, Ronwen, Mike und Ssslith.“

Michael stutzte etwas, als er versuchte die Namen zu den Personen zuzuordnen, die er auf dem Gemälde sah. Ihm fiel ein besonders großer Mann auf dem Bild auf. Es war ein schwarzer Greif in einer nobel wirkenden Rüstung. Ein krummes Schwert lag neben seinen Beinen und er hatte einen Arm um die eine Frau mit den langen, violetten Haaren gelegt. Immerhin war sich Michael bei einer Sache sicher. In ihm stieg ein plötzliches Bedürfnis mehr über diese neun Personen rauszufinden und er wusste, dass diese Bücher ihm dabei helfen würden. Jedoch war ihm schon eine wichtige Sache klar, denn er wusste welchen Namen dieser Mann tragen musste.

„Alex Eagle!“



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