Harpyie

Tips zur Vogelbeobachtung

Wie bitte?

Nein, "Vögel", ohne "n". Die Wissenschaft, die sich mit diesen Tieren beschäftigt, nennt sich übrigens Ornithologie, vom griechischen Wort "ornis" = Vogel. Ich bin kein Ornithologe, aber die Faszination, Vielfalt und Schönheit dieser faszinierenden Geschöpfe hält mich gefangen.

Beobachtungen

Was braucht man, um diese Faszination zu erleben? Zunächst einmal: seine Ohren. Viele Singvögel sind sehr unscheinbar und leben versteckt, einige lassen sich anhand ihres Aussehens nur schwer voneinander unterscheiden. Wer hat zum Beispiel schon einmal eine Nachtigall gesehen? Die Nachtigall ist ein brauner Vogel, etwa so groß wie eine Heckenbraunelle. Sie lebt versteckt, bodennah im Gebüsch. Wenn man wirklich mal eine Nachtigall sieht, dann im Flug, und wer kann schon aus einem fliegenden braunen Fleck die Art bestimmen? Schlimmer noch, es gibt auch einen nahen Verwandten, den Sprosser, der fast genauso aussieht, so daß man (selbst mit dem Vogel in der Hand) große Probleme hat, die Art zu bestimmen, wenn man nicht gerade viel Erfahrung hat oder ein Exemplar der anderen Art daneben hält. Ein Kriterium ist sicher, daß beide Vögel größtenteils unterschiedliche Verbreitungsgebiete haben, leider überschneiden die sich allerdings an den Grenzen.

Wie kann man nun feststellen, daß in einem Habitat (Lebensraum) eine Nachtigall ihr Revier hat? Sofort fällt einem der sprichwörtlich markante Gesang ein.

Jede Vogelart läßt sich allein durch ihre Lautäußerungen, zum Beispiel ihren Gesang, bestimmen. Ehrlich gesagt muß Shakespeares Julia Tomaten auf den Ohren gehabt haben, denn nach dem ersten hören einer Nachtigall und einer Lerchenart kann jeder den Gesang auseinander halten.

Unter Umständen allerdings schon etwas genauer hinhören muß man, um den Subgesang einer Nachtigall nicht mit dem einer Singdrossel zu verwechseln. Allerdings sind einige Phrasen so eindeutig, daß der Vollgesang eindeutig zuzuordnen ist. Etwas mehr Erfahrung bedarf es, zum Beispiel die unterschiedlichen Lerchenarten auseinander zu halten.

Vogelstimmen lernen

Wer sich mit den Vögeln beschäftigt muß also die Stimmen lernen. Dazu fragt man am besten einen erfahrenen (Hobby-)Ornithologen oder schließt sich einer der vielen ornithologischen Gruppen an. Diese Gruppen und auch viele Ortsgruppen des Naturschutzbund Deutschlands (NABU) bieten ganzjährig naturkundliche Wanderungen an. Sinnvoll ist es, schon im Winter anzufangen, dort singen nur wenige Vögel, die leicht auseinander zu halten sind: Rotkehlchen, Zaunkönig, Kohlmeise, Blaumeise (schon seltener), an warmen Tagen auch die Amsel. Nach und nach kommen dann die Zugvögel aus ihren Winterquartieren (die meisten Singvögel sind Zugvögel), so daß man fast im Vorbeigehen eine Vielzahl von Vogelstimmen lernt. Abzuraten ist, im Mai/Juni mit dem Lernen zu beginnen. Das Konzert ist sicher sehr schön anzuhören, ein Anfänger wird aber keine einzelnen Stimmen heraushören. Wer sich für klassische Musik zu interessieren beginnt, fängt schließlich auch mit Mozart an und wagt sich erst später an Wagners Ring...

Und was ist mit Ferngläsern?

Wenn man wirklich Vögel sehen will, braucht man das Fernglas. Es ist vor allem nötig, wenn ein Vogel zwanzig Meter entfernt auf einem Pfahl sitzt und keinen Pieps sagt. Aber wenn er was sagt, ist ein geübter Hörer mit den Ohren immer schneller, als er das Fernglas überhaupt in der Hand hat... Aber wenn ein Vogel schon mal so schön vor einem sitzt, will man ihn ja auch in seiner ganzen Pracht sehen.

Unverzichtbar ist das Fernglas allerdings bei der Beobachtung (und Zählung) von Wasservögeln und Limikolen (Wat- bzw. Sumpfvögel).

Für den Anfänger reicht ein preisgünstiges 8x30-Glas, im mittleren Preissegment habe ich gute Erfahrungen mit Bresser gemacht. Für Profis sind Zeiss-Gläser gedacht. Die sind allerdings recht teuer. Zur Beobachtung und Zählung von Gänsen, Enten und Watvögeln werden von Profis auch gerne Spektive verwendet. Spektive sind allerdings schwer, unhandlich und benötigen ein ebenfalls schweres und unhandliches Stativ.

Lichtstarke, farbgetreue Darstellung bei hoher Vergrößerung sind allerdings aus konstruktiven Gründen nur mit Spektiven möglich. Wie gesagt, das ist teures, empfindliches Werkzeug für spezielle Profi-Anwendungen. Für Singvögel reicht meiner Meinung nach das eigene Gehör völlig aus. Mehr Informationen über Ferngläser zur Vogelbeobachtungen gibt es in den englischsprachigen Birding Optics Tests.

Gut, ich will aber sehen, was ich gehört habe

Ein Bestimmungsbuch gehört immer in die Tasche. Trotz aller Vorbehalte, insbesondere gegen die Druckqualität seit der 13. Auflage, empfehle ich immer noch den "Peterson" (Peterson, Roger Tory: Die Vögel Europas, Paray Verlag). Für den Anfänger ist sicher die Aufteilung des Buches etwas gewöhnungsbedürftig. Am besten in einer guten Buchhandlung einmal umsehen. Leider habe ich in den letzten Jahren die Entwicklung auf dem Markt nicht mehr verfolgt. Obwohl es Bestimmungsbücher mit guten Fotos gibt, favorisiere ich weiterhin gezeichnete Abbildungen. Fotos stellen immer ein Exemplar einer Art dar, eine gute Zeichnung vereinigt die artbestimmenden Merkmale. Aber da die Druckqualität gängiger (und bezahlbarer) Bestimmungsbücher in den letzten Jahren extrem abgenommen hat, macht sich der Unterschied nicht mehr so stark bemerkbar. Eine schlechte Zeichnung ist genauso schlecht wie ein schlechtes Foto...

Ich habe einen Vogel gehört, weiß aber nicht, welche Art

Das kommt häufig vor. Man kann Vogelstimmen mit Hilfe von CDs lernen und sogar "nachschlagen". Zum Lernen gibt es ein großes Angebot an CDs, zum Nachschlagen empfehle ich die vier CDs "All the bird songs of Britain and Europe" von J.-C. Roche. Eine Version mit deutschen Booklets sollte als Restauflage noch erhältlich sein, die internationale Version enthält leider nur die wissenschaftlichen, französischen und englischen Namen der Vögel.

Wer es wirklich auf die Spitze treiben will und ein musikalisches Vorstellungsvermögen besitzt, kann mit einiger Übung auch aus Sonogrammen die Art bestimmen.

Und, was ist sonst noch zu beachten?

Sehr wichtig, genauso wichtig wie wie das Hören, ist die Beschaffenheit des Lebensraums, in der der Vogel beobachtet/gehört wurde. Zum Beispiel wird man in den Gebäudeschluchten einer Großstadt mit Sicherheit keinen Ziegenmelker beobachten können. Umgekehrt ist es etwas ungewöhnlich, einen Haussperling im Habitat des Ziegenmelkers zu beobachten. Trotzdem ist das alles mit Vorsicht zu genießen. Viele Vogelarten sind erstaunlich anpassungsfähig. Allerdings: ein Brachvogel, der auf einer intensiv bewirtschafteten, trockenen Agrarfläche erfolgreich seinen Nachwuchs aufziehen kann, ist sehr selten. Letztendlich bedeutet das Überleben einzelner Individuen in einem bestimmten Gebiet nicht, daß das zur Bestandssicherung ausreicht. Es muß auch Nachwuchs in ausreichender Zahl vorhanden sein. Viele Limikolen sind sehr standorttreu, auch wenn die Feuchtwiese längst entwässert und umgebrochen ist.

Für Beobachtungen in der Natur bitte ich noch dringend darum, die einfache Regel

Beobachten ja, stören nein!

zu beachten. Das heißt: Auf den Wegen bleiben, Abstand zum Beobachtungsobjekt halten, ruhig verhalten. Nestguckerei ist tabu. Oder wie fänden Sie es, wenn Ihnen alle Welt in das Schlafzimmer gucken würde?

Was ist ein Sonogramm?

Ein Sonogramm ist eine spezielle Darstellungen von Geräuschen und Lauten. Es ist ein Diagramm, auf dessen X-Achse die verstrichene Zeit in Sekunden aufgetragen ist, auf der Y-Achse die Frequenzanteile des Geräusches und eventuell in Graustufen die "Stärke" der Frequenzanteile.

Diese Darstellung wurde gewählt, da ein mechanischer Sonograph so sehr einfach konstruiert werden konnte. Diese Geräte scheinen noch weit verbreitet zu sein, obwohl es mittlerweile leistungsfähige Laptops mit Soundkarte gibt, sogar die Software ist vorhanden.

Winterfütterung

Eine beliebte Möglichkeit, die heimische Vogelwelt insbesondere Kindern nahezubringen, ist die Winterfütterung. Nur bitte ich, folgendes zu beachten:

Im Haustierfachhandel gibt es geeignete Futtersilos. Das gute alte Futterhäuschen ist leider ungeeignet.

Nochmal: Die einzige akzeptable Entschuldigung für Winterfütterung ist das Kennenlernen der typischen Gartenvögel für Leute, die (sorry:) zu faul sind, ihren Hintern aus dem Sessel zu bewegen. Gerechtfertigt ist sie sicherlich für Leute, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind und außer dem Blick aus dem Fenster kaum eine andere Beschäftigung haben. Ansonsten ist sie überflüssig bis schädlich.

Natur- und Umweltschutz

Wer sich mit den Vögeln oder Natur allgemein beschäftigt, wird schnell feststellen, daß der Lebensraum von Vögeln und anderen Tieren bedroht ist. Insbesondere die Versiegelung und Zerschneidung von Lebensräumen durch den Straßenbau und die intensive Landwirtschaft der letzten Jahre, aber auch durch die immer weiter fortschreitende Zersiedelung der Landschaft durch immer neue Wohngebiete, sind viele Arten bedroht.

Nun hat es seit Mitte der achtziger Jahre durchaus beachtliche Erfolge für den Naturschutz gegeben. Beispiele sind Ackerrandstreifen-Programme, reduzierte Maht von Straßenrändern, Unterschutzstellung wichtiger Gebiete oder die "Renaturierung" von Gewässern.

Diese Erfolge waren nur durch aktive Arbeit der Natur- und Umweltschutzverbände möglich. Die Unterstützung dieser Vereine ist weiterhin dringend notwendig. Das Erreichte muß erhalten werden, neue Gefahren für die Natur (unser aller Lebensraum) abgewendet werden. Ich erwähne nur das "Beschleunigungsgesetz", das faktisch einen Großteil des Naturschutzrechts außer Kraft setzt.

Aufgabe eines Naturschutzvereins ist es also, auf politischer Ebene als Lobby der Natur zu wirken sowie der Öffentlichkeit die Schönheit aber auch die Bedrohung der Natur vor Augen zu führen. Ich bin der Meinung, daß der Naturschutzbund Deutschland (NABU) diese Aufgabe (seit immerhin mehr als 100 Jahren) hervorragend erfüllt.

Links

Leider gibt das WWW nicht viel her an wissenschaftlicher Information über Vögel (auch ich nicht), nur ca. 50 Seiten, die im wesentlichen jeweils Links auf die anderen 49 Seiten enthalten und ansonsten Reklame machen für den eigenen Verein. Man findet auch kilobyteweise Informationen zu Beringungs-Aktionen. Die diversen Suchmaschinen fördern eine einzige ornithologisch relevante URL zum Thema "Sonogramm" zutage, vier oder fünf Ozeanforschungsprojekte und tausend Links zum Thema pränatale Diagnostik... Wer sich für die ernsthafte Vogelkunde interessiert, sollte sich schriftlich an die Ornithologische Gesellschaft oder an zoologische Institute von Universitäten wenden.

Hier nun die (magere) Ausbeute meiner Suche:

 
Last modified: 2010-10-10 Copyright 1996-2010 by Jörg Reuter.